Eben habe ich einen sehr unterhaltsamen TED Talk von Manoush Zomorodi gesehen, der sich sehr nett in die Überlegungen zum „Freiraum statt Effizienz“ Paradigma einfügt. Zomorodi erläutert uns (wissenschaftlich belegt), dass etwas Langeweile Raum für neue Ideen schafft. Denn wenn wir uns langweilen, schaltet unser Gehirn in einen weniger restriktiven Standardmodus, in welchem sich mehr ungewöhnliche Verbindungen bilden, als unter Anspannung. Unser Hirn fängt eher an zu wandern, tagträumen und assoziativ zu denken. Und das macht auch total Sinn. Wenn wir unseren Gedanken keine genauen Vorgaben machen, wo sie nun hinlaufen sollen, unser Gehirn also im Leerlauf ist, fangen die Gedanken an, mal hier reinzuschauen und dort mal entlang zu schlendern. In solchen Phasen malen wir uns aus, wie unsere Zukunft aussehen könnte, planen und entwickeln eine Vision, wie wir unser Leben gern hätten. Und wir suchen gerne nach Tätigkeiten, die Sinn in unser Leben bringen. Sinnvolle Tätigkeiten, die quasi den Leerlaufmodus ausgleichen. Insofern ist Müßiggang nicht aller Laster Anfang, sondern im Gegenteil ein durchaus ernstzunehmender Motor für soziale Themen. Und damit ganz nebenbei auch ein wichtiger Bestandteil von einem erfüllten Leben, denn Sinnhaftigkeit leistet hier einen großen Beitrag.
Aber zurück zur Kreativität. Wenn wir uns nun nicht mehr langweilen, weil wir all die kleinen Lücken in unserem Leben, in unserem Job, in unserem Terminkalender und auf der Couch ausfüllen mit Aktivitäten, und sei es Fernsehen, dann geht uns dieser Raum für neue Ideen verloren. Wir scheinen zu glauben, dass nur langweilige Menschen sich auch mal langweilen. Und deswegen stopfen wir jedes kleine Zeitlöchlein zu mit geschäftigem Tun. Meistens spielt unser Mobiltelefon hierbei eine Rolle. Und bei dieser ganzen angeblichen Produktivitätssteigerung übersehen wir völlig, dass wir weniger produktiv sind. Wir werden vielleicht effizienter, aber die Frage bleibt: Worin?
Und durch dieses Zuspachteln verlieren wir tatsächlich auch die Gelegenheit, mal mit etwas Abstand auf den Stand der Dinge zu schauen. Wir haben keine Pausen mehr, in denen wir uns mal zurücklehnen können, um zu betrachten, was wir da eigentlich so treiben. Wir sind gefangen in unserem Aktionismus und strampeln in unserem Hamsterrad – ohne vorwärts zu kommen. Diese Vokabeln klingen in meinen Ohren höchst ungesund. Geht Ihnen vielleicht auch so.
Und diese Angewohnheit, ständig mit irgendetwas beschäftigt zu sein (egal, wie unwichtig es ist, Hauptsache, ich nutze die Zeit effizient…) treibt uns auch ganz leicht in die Multitasking-Falle. Möglichst effizient heißt schließlich auch, dass ich die 20 Sekunden, die ich vor dem Drucker warte, schnell noch nutze, um ein paar Mails abzuarbeiten. Dabei fällt mir dann auf, dass ich noch etwas im Kalender nachtragen muss. Und auf dem Rückweg vom Drucker kann ich auch noch gerade meinem Kollegen eine Info geben… Und schon habe ich völlig effizient (?!) innerhalb von drei Minuten vier verschiedenen Tätigkeiten bzw. Themen meine Aufmerksamkeit gewidmet. Noch vor zehn Jahren haben wir im Schnitt alle drei Minuten unsere Aufmerksamkeit auf etwas Neues gelenkt. Heute machen wir das bei der Arbeit durchschnittlich alle 45 Sekunden. Und das den ganzen Tag lang.
Laut Dr. Daniel Levitin verbrauchen wir dabei jedes Mal Nährstoffe im Gehirn (hauptsächlich Glucose). Und zwar die gleichen Nährstoffe, die wir auch für andere Denkprozesse verwenden. Also für’s konstruktive Denken, für das Stellen der richtigen Fragen, das Entwickeln von Neuem, das Innovieren, das Stärken von Ideen und für das Einschätzen von Risiken. Jedes Mal „kurz eben die Mails checken“ macht uns also weniger kreativ.
Und das bedeutet in Summe, dass diese Pseudo-Steigerung der Effizienz mit Multitasking, das Füllen dieser kleinen Lücken, uns nicht nur laufend Raum nimmt, kreative Ideen zu spinnen. Sondern es heißt sogar, dass diese Hamsterrad-Falle uns auch noch Energie klaut, die wir brauchen, um innovativ zu sein und produktiv zu denken. Wenn wir uns dann nämlich endlich der Ideation zuwenden könnten, sind unsere Denk-Batterien leer.
Dummerweise ist dieses Hamsterrad anscheinend noch verlockender, wenn wir ohnehin schon gestresst sind. Forscher haben herausgefunden, dass wir uns noch häufiger ablenken lassen (von Mails, Social Media und Co.) wenn wir ohnehin schon gestresst sind. Je weniger Menschen schlafen, desto häufiger checken sie ihren Facebook Account. Und je häufiger sie sich ablenken lassen oder zwischen verschiedenen Themen hin- und herspringen, desto weniger Denk-Strom bleibt für Kreativität.
Deswegen lohnt es sich, einfach mal aus dem Fenster zu starren, während man darauf wartet, dass der Drucker die nächste Präsentation ausspuckt.
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